Csilla
Csilla von Boeselager: Stiftung gedenkt Gründerin mit Zeitzeugengespräch
Vor 30 Jahren verlor Csilla von Boeselager ihren Kampf gegen den Krebs. Die nach ihr benannte Stiftung erinnerte am Sonntag an die charismatische Exil-Ungarin mit einem Zeitzeugengespräch auf Schloss Höllinghofen, an dem auch Vikar Reddeker teilnahm. Zuvor hatten die Stadt Arnsberg und das Land Nordrhein-Westfalen auf dem Marktplatz von Neheim eine Stele enthüllt, die an das Leben und Wirken des ‚Engel von Budapest‘ erinnert. Mit dabei war auch Gemeindereferentin Claudia Fischer für unsere Kirchengemeinde.
Vor 35 Jahren fiel die Berliner Mauer. Doch die dramatische Entwicklung, die mit dem Mauerfall am 9. November 1989 ihren Höhepunkt erreichte, begann schon früher. Bereits am 19. August 1989 hatten Ungarns Außenminister Gyula Horn und sein österreichische Amtskollege Alois Mock nahe der ungarischen Grenzstadt Sopron ein Loch in den Grenzzaun geschnitten und damit symbolisch den eisernen Vorhang geöffnet. Er hatte Europa über fast vier Jahrzehnte geteilt.
Unzählige DDR – Bürgerinnen und Bürger ergriffen daraufhin die Gelegenheit, ihrem Land den Rücken zu kehren in der Hoffnung, über Ungarn und Österreich in die Bundesrepublik Deutschland ausreisen zu können. Ihre Flucht endete jedoch in Budapest, weil zunächst nicht klar war, wie sich die ungarischen Grenztruppen verhalten würden.
Zeitzeugen erinnern an dramatische Zustände
Über die dramatischen Zustände in und vor den Toren der ungarischen Hauptstadt tauschen sich am Sonntag auf Schloß Höllinghofen Zeitzeugen jener Tage aus. Im Mittelpunkt stand dabei die Rolle Csilla von Boeselagers.
„Die Deutsche Botschaft war wie in einem Schockzustand“, erinnert sich Regierungsrat a. D. Dr. Klaus Hermann Ringwald. Der Diplomat war damals in Wien stationiert, um für Deutschland die KSZE-Abrüstungsverträge zu verhandeln. Über Nacht erhielt er Anweisung, sich unverzüglich in der Deutschen Botschaft Budapest einzufinden.
Ringwald: „Niemand hatte mit dem Ansturm so vieler Menschen gerechnet. Es fehlte an praktisch allem, von der Zahnbürste bis zum Passformular.“ In der Botschaft, so Ringwald, gab es zum Beispiel für 200 Personen nur drei Toiletten. „Niemand von uns hatte eine Idee, wie man so viele Menschen, die nach dem Grundgesetz ja Anspruch auf konsularische Betreuung hatten, versorgen kann. Es hatte bis dahin nur wenige Einzelfälle gegeben, die dann meist unter Einbeziehung des Rechtsanwalt Vogel aus der DDR mehr oder weniger geräuschlos gelöst wurden.“
„Csilla von Boeselager hatte nach 90 Minuten einen Plan. Deutschland ist ihr zu großem Dank verpflichtet“ (Dr. Klaus Hermann Ringwald)
„Csilla war zu der Zeit Gast in der Residenz des Deutschen Botschafters. Sie wurde gefragt, wie man das Problem mit den geflüchteten Landsleuten lösen könne. Zwei Telefonate und 90 Minuten später hatte sie eine Lösung für die Vermeidung einer humanitären Katastrophe. Wir selbst hatten keinen Plan B“, so Ringwald im Zeitzeugengespräch.
Auch Theresia von Keyserlingk erinnert sich gut an die Tage in Budapest. Als enge Freundin Csillas konnte sie unmittelbar miterleben, wie sich die Verhältnisse in den beiden Notlagern Zugliget und Csillebérc entwickelten.
Theresia von Keyserlingk: „Sie war der Typ: Geht nicht, gibt’s nicht!“
Das Team rund um Csilla von Boeselager organisierte in den darauffolgenden Wochen praktisch alles, um am Ende fast 36.000 Menschen mit dem Notwendigsten zu versorgen. „Am wichtigsten aber war für die völlig verängstigten und traumatisierten Menschen, dass da jemand war, bei dem sowohl organisatorisch, kommunikativ und menschlich die Zügel zusammenliefen. Sie war, der Typ: Geht nicht, gibt’s nicht!“, so Zeitzeugin Theresia von Keyserlingk.
Zahlreiche Ehrungen für Csilla von Boeselager – Stiftung setzt Nothilfe-Arbeit fort.
Csilla von Boeselager wurde für ihr beherzten Eingreifen im Spätsommer 1989 vielfach geehrt. Unter anderem erhielt sie das Bundesverdienstkreuz am Bande, die Libori-Medaille, die Ehrenplakette und Ehrenmedaille der Stadt Arnsberg, den Europäischen Preis für Menschenrechte oder den Preis Frauen für Europa. Die Stadt Arnsberg und das Land Nordrhein-Westfalen widmeten ihr nun den ersten „FrauenOrt“ in NRW. Die Stele wurde am Sonntag vor dem Sauerländer Dom feierlich von Bürgermeister Ralf Paul Bittner enthüllt.
Die von Csilla von Boeselager begonnene Nothilfe-Arbeit für die jungen Demokratien Ost-Europas wird heute durch die Csilla von Boeselager Stiftung fortgesetzt. Die Stiftung unterhält derzeit 14 Nothilfe-Projekte in Ungarn, Rumänien, Polen, Serbien und in der Ukraine.
Weitere Informationen zur Csilla von Boeselager Stiftung Osteuropahilfe e. V.
www.boeselager-osteuropahilfe.de
Bildnachweis: Anke Peters, Voßwinkel